Die rassistisschen Angriffe richteten sich gegen Arbeitskräfte aus Mosambik und Vietnam sowie Asylsuchende. Während VertragsarbeiterInnen bereits seit vielen Jahren in Hoyerswerda lebten, kamen die ersten Geflüchteten erst Anfang des Jahres 1991 in die Stadt. Sowohl in vielen Medienberichten über die Ereignisse, als auch in der lokalen Erinnerungskultur spielte die Perspektive der Betroffenen kaum eine Rolle.

Filme

Alltäglicher Rassismus nach Feierabend

Ibraimo Rosario Procula schildert das Pogrom und die Stimmung im Jahr 1991 in Hoyerswerda. Bis zum letzten Tag wurden die Mosambikaner unter Polizeischutz zur Arbeit gefahren. Über den Zeitpunkt ihrer Ausreise blieben sie im Unklaren.

Viele habe ich erkannt - Gedächtnisprotokoll eines Kontraktarbeiters aus Hoyerswerda

Manuel Nhacutou kam 1983 als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR. Seit 1986 lebte er in Hoyerswerda. In Form eines Gedächnisprotokolls schildert er die von ihm erlebten Arbeits- und Lebensbedingungen, das Pogrom und was danach passierte.

Am 08.09.2016 starb Manuel Nhacutou in Maputo/Mosambik in Folge medizinischer Unterversorgung und Armut.

Fernsehbeitrag Hoyerswerda 1991

Ein TV-Bericht vom September 1991 aus Hoyerswerda. (Quelle: YouTube)

Hintergrund

Schilderungen eines Vertragsarbeiters aus Hoyerswerda

Andreas
32 Jahre, Eltern, 6 Geschwister

Gespräch: 18.10.1991
Abreise: 20.10.1991

1980 hätte ich nach Kuba gehen können. Dorthin wollte ich nicht.

Dann sagte die Regierung, du kannst in die DDR.

Am 22. September 1981 kam ich in Berlin an. Im Wohnheim am Tierpark lernte ich Deutsch, im Meliorationskombinat lernte ich Landmaschinenschlosser und Maschinist. Die Zeit in Berlin war sehr schön. Wir gingen in das Café Moskau, Café Nord, in die Disco nach Marzahn und in die Gaststätte am Tierpark tanzen. Es gab im Grunde keine Probleme mit den Deutschen. Auch bei der Arbeit nicht, wir waren dort vier Afrikaner.

In der Disco lernte ich eine junge Dame kennen. Wir waren eineinhalb Jahre befreundet, da bekamen wir ein Baby. Unsere Tochter wurde am 12. Dezember 1983 geboren. Ich wohnte mit beiden in einer Wohnung.

Mein Vertrag lief nach vier Jahren aus, ich musste zurück nach Mosambik. Bald aber hatte ich wieder die Möglichkeit, in die DDR zu fahren. Ich war wieder in Berlin. Ich arbeitete im Flugzeugpropellerwerk. Ich habe wieder bei meiner Familie gewohnt.

Ich hörte, dass man im Bergbau durch Schichtarbeit mehr Geld verdienen kann. So meldete ich mich dafür in der Botschaft. Im Mai 1988 habe ich im BKW (Braunkohlewerk) Welzow in der Entwässerung angefangen zu arbeiten. Jedes freie Wochenende fuhr ich zu meiner Frau und unserer Tochter. Auf der Arbeit gab es keine Probleme. Aber zum Feierabend in der Stadt. Ich wollte doch auch einmal essen gehen, z. B. in die Broilerbar oder in den Wassermann. Es gab Anpöbelungen und auch Schlägereien. Ich hatte kein Vertrauen zu den Menschen hier und bin niemals allein ausgegangen. Die Polizei schickte uns ins Wohnheim, die deutschen Schläger konnten in der Gaststätte bleiben. Das war noch zur DDR-Zeit.

Nach der Wende, genau am 1. Mai 1990, erlebte ich vorläufig das Schlimmste. Ich war an diesem Tag im Wohnheim WK (Wohnkomplex) I zu Besuch. Als ich zurückkam, sah ich auf der Südstraße, jetzt Külz-Straße, viele Jugendliche. Sie riefen: „Schwarze raus aus diesem Land.“ Sie warfen mit Steinen die Fensterscheiben ein. An diesem Tag gab es von uns drei Schwerverletzte. Zwei kamen vom Rummel, einer wurde an der Kreuzung zusammengeschlagen. Sie waren eine Woche im Krankenhaus. Die Polizei kam auch her und schickte uns ins Wohnheim. Die deutschen Schläger blieben frei. Seit diesem Tag spüren wir oft den Ausländerhass.

Am 17. September 1991 erlebte ich die Schlägerei vor unserem Wohnheim. Ungefähr zwei Wochen lang wurden wir angegriffen. Der schlimmste Tag war Mittwoch, der 18. September 1991, als auch Bürger aus Hoyerswerda vor dem Wohnheim standen, „Ausländer raus“ riefen, mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen warfen. Es waren auch Gaspistolen dabei. Am meisten betroffen war ich, dass auch Leute aus der Nachbarschaft dabei waren. Als eine Journalistin einen Jungen fragte, warum der das gemacht hat, sagte er: „Das hat Spaß gemacht.“ Die älteren Leute antworteten ihr: „Was wollen die Ausländer hier, wir haben selbst keine Arbeit, keine richtige Wohnung. Die bekommen die guten Wohnungen, sie bekommen unser Geld und unser Blut“. Doch als die Journalistin sie fragte, ob sie das noch einmal machen würden, sagten sie: „Wir machen das nicht wieder.“

Was ich in den letzten Wochen hier erlebt habe, ist mein erster Schritt zum Friedhof. Ich danke der Polizei, dass sie uns in diesen Tagen geschützt hat. Ohne die Polizei, den Schutz der Polizei, hätte man uns alle am 18. totgeschlagen.

Weil ich Angst habe, bin ich seit dem 16. September nicht mehr zu meiner Frau und meiner Tochter Fatima gefahren. Auch sie können nicht zu mir kommen. Wir haben Angst um unser Kind.

Ich fliege jetzt nach Hause, ohne von meiner Familie Abschied zu nehmen.

Ich bin sehr traurig.

 

Quelle:

Gespräch aufgezeichnet und freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch Waltraud Spill vom Projektarbeit Mosambik e.V.

Hintergrund

Die Angriffe aus Sicht der Asylsuchenden

Das rassistische Pogrom von Hoyerswerda 1991 begann am Wohnheim der Vertragsarbeiter in der Albert-Schweitzer-Straße im Zentrum Hoyerswerdas. Nachdem die Polizei jedoch die Gegend um das Heim räumte, verlagerten sich die Angriffe auf das Wohnhaus der Asylsuchenden in der Thomas-Müntzer-Straße im WK (Wohnkomplex) IX.

Chaos bei der Ankunft

Der Soziologe Detlef Pollack schildert, dass Hoyerswerda der einzige Landkreis in Ostsachsen gewesen sei, der unmittelbar nach der Wende Asylsuchende aufgenommen habe. Andere Kommunen hätten eine Unterbringung verweigert. Nach Hoyerswerda kamen 260 MigrantInnen aus 23 Staaten, „ohne daß die Verwaltung Zeit dafür hatte, den Einzug der neuen Mitbewohner hinreichend vorzubereiten“. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26.09.1991 sprach der für Hoyerswerda zuständige Landrat diesbezüglich von chaotischen Zuständen: So sei „eine Gruppe von Asylbewerbern mit kleinen Kindern, die zuvor in Hessen untergebracht war, ohne Vorankündigung nach Hoyerswerda geschickt und einfach auf der Straße ausgeladen worden. Passanten hätten dann die zuständige Kreisverwaltung verständigt.“

Situation in der Unterkunft

Während der Tage der Attacken auf das Wohnheim der Asylsuchenden besuchte eine Journalistin der taz die Angegriffenen. Sie beschrieb die Lebensumständen der im Gebäude untergebrachten Geflüchteten: „Im Zimmer Nummer 9 wohnt eine siebenköpfige Familie aus Jugoslawien. Vor sieben Monaten ist sie aus dem Kosovo geflohen, sie gehört zur albanischen Minderheit. In Braunschweig sind sie angekommen, von dort wurden sie nach 14 Tagen nach Hoyerswerda gebracht. Seit sechs Monaten leben sie in diesem kleinen Zimmer, das vielleicht drei mal drei Meter mißt. Ein Tisch, zwei Stühle, fünf Kinder teilen sich Nacht für Nacht zwei Betten.“

Insbesondere die Kinder der Familie hätten große Angst vor den AngreiferInnen: „Mit der drangvollen räumlichen Enge könnten sie zurechtkommen, sagt das elfjährige Mädchen, das auf der Straße ein paar Brocken deutsch gelernt hat. ,Aber Mafia nicht gut.' Die Bürger von Hoyerswerda, die seit Dienstag vor dem Wohnheim randalieren, sind für sie die 'Mafia'. Seitdem die allabendlich vor dem Haus aufzieht, hat das Mädchen ,schreckliche Angst'. Am Freitag Abend steht die ,Mafia' wieder vor dem Haus. Sie kam am frühen Abend und warf Steine gegen die Fenster. Dabei ging auch die Haustüre zu Bruch, und ihre ,Flaschen mit Feuer' prallten an der Wand ab. Vor allem um den kleinsten Bruder sorgt sich das Mädchen. Seit zwei Tagen hat sie den Eindruck, er könne nicht schlafen. ,Immer macht er große Augen und trinkt wenig.' Manchmal beugt sie sich über ihn und horcht, ob er noch atmet. Sie will das Kind hochnehmen, als wolle sie unterstreichen, was sie gesagt hat. Doch schnell drängt der Vater sie ab. Das Kind darf nicht in den Bereich des Fensters kommen. Ständig hält ein Familienmitglied den Kleinen im Arm oder legt sich schützend neben ihn auf das Bett. Das Baby kam vor vier Wochen in Hoyerswerda zur Welt.“

Menschenrechtsgruppen besuchen Wohnheim

Interview mit Asylsuchenden aus Hoyerswerda

Am Sonntag, den 22.09.1991, dem sechsten Tag der Angriffe, besuchten Mitglieder der Fraktion „Bündnis 90/Grüne“, „SOS Rassismus“, der „Liga für Menschenrechte“ sowie weiterer zivilgesellschaftliche und antirassistische Gruppen aus Berlin Hoyerswerda. Einige von ihnen konnten mit BewohnerInnen des Wohnheims für Asylsuchende sprechen. Auch Ralph Ghadban, ein Mitarbeiter der Beratungsstelle für arabische Flüchtlinge, besuchte Hoyerswerda. Wie die taz am 25.09.1991 berichtete, versagte ihm in der anschließenden Pressekonferenz die Stimme, als er schilderte: „In Hoyerswerda herrschen keine bürgerkriegsähnlichen Zustände, wie ich sie im Libanon zur Genüge erlebt habe. In Hoyerswerda herrscht Pogromstimmung.“ Laut dem Beitrag der taz, waren sich die MitarbeiterInnen der Beratungsstellen einig, „daß die rund 250 Flüchtlinge in Hoyerswerda ,extrem gefährdet‘ seien.“ Weiter hieß es: „Nasrin Bassiri vom Verein iranischer Flüchtlinge, die sich in Hoyerswerda mit armenischen Iranern, Vietnamesen und Nigerianern unterhalten hatte, berichtete (…), vor lauter Angst hatten sich die Flüchtlinge nur noch zu zehnt auf die Straße getraut, um Brot zu kaufen oder zu telefonieren. Wer kein Deutsch konnte, sei auf der Post einfach ignoriert worden.“ Ginka Eichle, von der Ostberliner Dependance der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung war schockiert vom „,unglaublichem Haß‘, der in Hoyerswerda vor allem von 10- bis 14jährigen Kindern ausgehe: ,Sie greifen die Ausländer, die seit Jahren dort arbeiten, mit Steinen an.‘“

 

Quellen:

Angst vor der „Mafia“. taz vom 23.09.1991.

Heckelmann: Neuverteilung geht mich nichts an. taz vom 25.09.1991.

Pollack, Detlef. (2005). Die ausländerfeindlichen Ausschreitungen im September 1991 in Hoyerswerda. Berliner Debatte Initial (16), S. 15-32.

„Über Konfliktpotential informiert“. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.09.1991.

Hintergrund

„Klar haben wir uns gewehrt!“

Samuel Nkumi war einer derjenigen, dem die Angriffe im September 1991 galten. Der heute 54-Jährige kam 1983 aus Mosambik in die DDR und 1985 nach Hoyerswerda. Heute lebt er mit seiner Familie in Berlin. Julia Fritzsche und Sebastian Dörfler sprachen mit ihm über seine Erinnerungen an Hoyerswerda.

Das Interview erschien auf der Website der Zeitung ak - analyse & kritik sowie in der Printausgabe Nr. 619 / 20.9.2016.

Samuel Nkumi (Foto: Julia Fritzsche)

Woran denken Sie, wenn Sie den Namen Hoyerswerda hören?

An einen Friedhof.

Warum das?

Ich war vor zwei Jahren noch einmal da, um mir nach all den Jahren ein Bild von der Stadt zu machen. Ich stand am Einkaufszentrum und schaute in Richtung unseres Wohnheims. Doch das war nicht mehr da. Es war unheimlich, wie auf einem Friedhof. Nach einer halben Stunde wollte ich wieder zurück nach Berlin.

Weil Sie sich unsicher fühlten?

Naja, es war eher so, als hätte man meine Geschichte einfach ausradiert. Es wäre schön, wenn das Haus heute noch da wäre, um den Leuten zu zeigen, was damals passierte. Ich habe das ja erlebt – die Angst und die Träume, die damals zerstört wurden. Ich wollte hier eine Ausbildung machen und studieren – all das war nicht mehr möglich. Das war wie eine unterbrochene Zukunft damals.

Wie haben Sie sich das Leben in der DDR vorgestellt?

Die Regierung hatte Leute gesucht, die im Ausland studieren und arbeiten wollten. Wir haben Bilder gesehen von Mosambikanern, die schon seit 1979 in der DDR lebten, das sah alles sehr freundlich und gesellig aus. Das mache ich, dachte ich, flog für eine Ausbildung zum KfZ-Mechaniker in die DDR und kam dann nach Hoyerswerda.

Wie war es, als Sie ankamen?

Sehr widersprüchlich. Wir mussten uns immer in großen Gruppen mit Betreuer durch die Stadt bewegen, auch beim Einkaufen. Wir dachten, das war, weil wir die Sprache nicht kannten. Nach und nach haben wir dann gemerkt, wo die Probleme liegen: Bei uns im Betrieb haben zum Beispiel viele Leute gearbeitet, die eine Nazi-Vergangenheit hatten oder aus dem Gefängnis kamen und dann in den Tagebau geschickt wurden. Es gab auch gelegentlich Streit, Prügeleien, Gaststättenverbote.

Haben Sie das auch erlebt?

Zwei Mal. Einmal kam ich mit einem Kollegen gegen 22 Uhr von der Arbeit, und wir wollten noch etwas essen. Er war auf Toilette, ich saß alleine an einem Tisch und habe eine Cola bestellt. Nebenan saßen vier Leute. Als die Kellnerin die Cola gebracht hat, hat sie einer von denen umgekippt und gesagt, ich soll verschwinden, das sei ein Stammtisch. Ich habe noch eine Cola bestellt. Auch die hat er vom Tisch gefegt. Wir haben dann die Kellnerin gefragt, ob das wirklich ein Stammtisch war. Nein, sagte sie, aber ihr solltet besser gehen. Draußen haben uns zwei von ihnen verfolgt und angegriffen. Wir konnten uns wehren. Friedlich war Hoyerswerda schon zu DDR-Zeiten nicht. Aber man konnten dort leben. Bis zum September 1991. Diese Bilder, diese Tage gehen aus meinem Kopf nicht mehr raus.

Was haben Sie am 17. September gemacht?

Ich weiß es noch genau, das war kurz bevor meine Ausbildung vorbei war. Ich hatte Spätschicht im Betrieb, und die Leute haben schon gesagt, ich solle nicht zurück ins Wohnheim gehen, da sei Krawall. Aber wo hätte ich mich sonst verstecken sollen? Ich wollte dorthin, wo meine Landsleute waren. Ich hatte mir nach der Wende einen Skoda 100 gekauft, mit dem bin ich langsam vor das Wohnheim gefahren, hatte meine Arbeitskleidung und Helm an. Es war total voll, die Leute haben „Ausländer raus!“ gebrüllt. Als sie gemerkt haben, dass ich ein Schwarzer bin, haben sie sofort mein Auto angegriffen und Steine geworfen. Ich bin langsam durch die Menge gefahren bis zum Eingang vom Wohnheim – und mit aller Kraft rein in die Tür. Mein Auto haben die innerhalb von Sekunden total demoliert, da war nichts mehr übrig. Ich bin dann nach oben gerannt, in den unteren Etagen war schon niemand mehr, damit sie die Steine nicht mehr treffen. Einige waren verletzt. Wir haben versucht, die Zugänge zu versperren. Dann kamen sie von oben über das Dach – wir waren eingeschlossen. Dann kam endlich die Polizei.

Am nächsten Tag ging es wieder von vorne los. Haben Sie sich gewehrt?

Na klar haben wir uns gewehrt. Jeder hat sich etwas gesucht, um sich zu verteidigen. Wir wurden ja auch in den nächsten Tagen mit Bussen abgeholt und zur Arbeit gefahren. Da habe ich in der Werkstatt Kugeln von den Kugellagern mitgenommen. Wenn die Steine geworfen haben, haben wir zurückgeworfen – sonst wären wir ja leichte Beute gewesen.

Was waren das für Leute vor Ihrem Wohnheim?

Da waren auch Leute dabei, die unsere Freunde waren, die wir kannten und gebrüllt haben: „Ihr nehmt uns die Frauen weg, ihr nehmt uns die Arbeit weg!“ Aber auch viele von außerhalb. Es war ein gut organisierter ausländerfeindlicher Krawall, den wir nicht erwartet haben. Und sie haben erreicht, was sie wollten: Von uns ist niemand in Hoyerswerda geblieben.

Trotzdem sind Sie wieder zurück nach Deutschland?

Zunächst nicht. Ich konnte zwar noch in Magdeburg meine Ausbildung beenden. Aber dann sind wir alle nach Mosambik abgeschoben worden. Ich hatte mir ein paar Schweißgeräte mitgenommen und wollte dort eine Werkstatt aufmachen. Aber da war Bürgerkrieg, und nach drei Wochen wurde das Haus mit all meinen Sachen abgebrannt. Ich hatte nichts mehr. Also bin ich über Umwege wieder nach Deutschland, fand Arbeit in dem Betrieb in Magdeburg und konnte hier bleiben.

Denken Sie heute viel an die Zeit?

Ja. Egal, wie wir Ausländer hier in Deutschland aufgenommen werden, wir sind immer noch in Gefahr.

 

Weitere Informationen:

„Eine Reise in die Gegenwart“ – 53-minütiges Radiofeature von Sebastian Dörfler und Julia Fritzsche 25 Jahre nach Hoyerswerda 1991, anzuhören auf der Website von Bayern 2.

 

Quelle:

„Klar haben wir uns gewehrt!“ Interview mit Samuel Nkumi, der die rassistische Gewalt in Hoyerswerda vor 25 Jahren überlebte. Verfügbar unter: http://www.akweb.de/ak_s/ak619/29.htm (zuletzt aufgerufen am 01.10.2016).

Hintergrund

Kaum Solidarität mit verbliebenen Vertragsarbeitern

Nach den Angriffen vom September 1991 wurden alle Asylsuchenden aus ihrem Wohnheim in der Thomas-Müntzer-Straße evakuiert, ebenso die meisten Vertragsarbeiter – 70 von ihnen blieben jedoch in der Stadt.

Einige Vertragsarbeiter blieben

In Hoyerswerda lebten bereits viele Jahre vor der Wende VertragsarbeiterInnen. Diese kamen „zuerst aus Algerien und Polen, später aus Vietnam und Moçambique“, wurde der für Hoyerswerda zuständige Landrat am 26.09.1991 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert. „Seit jeher“ seien sie mit „einer latenten Fremdenfeindlichkeit“ in der Stadt konfrontiert gewesen, so der Politiker.

Die feindliche Stimmung in Hoyerswerda bekamen die Vertragsarbeiter im Wohnheim in der Albert-Schweitzer-Straße schließlich im September 1991 besonders deutlich zu spüren. „Die Skinheads haben mit Steinen die Fensterscheiben kaputt geworfen. Es kamen viele Deutsche, sie standen hinter den Skinheads. Bei jedem Treffer auf ein Fenster applaudierten sie wie bei einem Tor im Fußballstadion“, ist von einem Mosambikaner in einer Studie des Soziologen Detlef Pollack zu lesen.

Während alle 260 BewohnerInnen des Heimes der Asylsuchenden nach den tagelangen Angriffen aus der Stadt evakuiert und anderswo untergebracht wurden, mussten viele in Hoyerswerda lebende Vertragsarbeiter das Land verlassen – einen Tag früher, als ursprünglich wegen auslaufender Arbeitsverträge vorgesehen war.

Wie die Lausitzer Rundschau am 26.09.1991 berichtete, lebten jedoch einige von ihnen weiterhin in Hoyerswerda: „Noch wohnen 70 Ausländer im Wohnheim Albert-Schweitzer-Straße und mit ihnen die Drohungen der Skinheads. Die Arbeitsverträge der 39 Mocambiquaner und 31 Vietnamesen laufen zum Monatsende ab. Länger bleiben will mittlerweile keiner mehr.“

Nur wenig Solidarität mit den verbliebenen Vertragsarbeitern

"Verzeihung, mocambiquanische Freunde!"

Es ist nur wenig über eine Unterstützung für die verbliebenen Vertragsarbeiter dokumentiert. U.a. setzte sich Waltraud Spill, die später den Verein "Projektarbeit Mosambik e.V." gründete, für die noch in Hoyerswerda lebenden Mosambikaner ein. Peter Schowtka, stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender, veröffentlichte in der Rundschau für Nordsachsen am 27.09.1991 die Erklärung: „Verzeihung, mocambiquanische Freunde!“. Darin entschuldigte er sich „bei den ausländischen Bürgern“ dafür, „was ihnen durch meine deutschen Landsleute angetan wurde.“

Die Sächsische Zeitung druckte am 05.10.1991 ein Foto, welches den damaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und den Bundestagsabgeordneten Ullrich Klinkert (CDU) beim Besuch der Mosambikaner in der Albert-Schweitzer-Straße zeigt: „Im Gespräch mit Antonio Mutombe machte der Minister deutlich, daß die Mehrheit der Deutschen und Hoyerswerdaer keinen Fremdenhaß empfinden und erkundigte sich, wie vor Ort geholfen werden könne.“ Auch der neue sächsische Innenminister Heinz Eggert traf sich mit den Vertragsarbeitern, wie die Lausitzer Rundschau am 08.10.1991 berichtete: „Der Politiker entschuldigte sich für das Geschehene und versicherte, daß nicht alle deutschen Bürger ausländerfeindlich sind. In wenigen Tagen werden diese jungen Leute in ihre Heimat zurückkehren.“

 

 

Quellen:

Gerade in Hoyerswerda Zeichen setzen. Sächsische Zeitung vom 05.10.1991.

Ohne Titel. Lausitzer Rundschau vom 08.10.1991.

Pollack, Detlef. (2005). Die ausländerfeindlichen Ausschreitungen im September 1991 in Hoyerswerda. Berliner Debatte Initial (16), S. 15-32.

„Über Konfliktpotential informiert“. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.09.1991.

„Verzeihung, mocambiquanische Freunde!“ Rundschau für Nordsachsen vom 27.09.1991.

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